Das sagt sich so leicht: Wir sollten immer auf Augenhöhe mit dem Kunden sein. Wenn wir auf unsere guten (Stamm-)Kunden blicken, dann haben wir damit meistens kein Problem. Diese guten und meist funktionierenden Partnerschaften gründen allermeist wie selbstverständlich auf einer Beziehung mit Augenhöhe. Das hat sich automatisch so entwickelt.
Ganz zu Beginn eines Kaufzyklus fühlt sich das oft anders an. Der Kunde lässt uns spüren, dass er am längeren Hebel sitzt. Ganz stark dann, wenn die Anforderungen in Form einer Ausschreibung abgebildet werden und viele Anbieter im Spiel sind. Oder wenn wir auf eine zeitkritische Anfrage ein Angebot schreiben und dann (lange) keine Rückmeldung erhalten.
Genauso kann das Ungleichgewicht von der anderen Seite ausgehen: In der typischen Manier eines Verkäufers versuchen wir ebenfalls gerne, dem Kunden unsere Überlegenheit zu zeigen, was schnell als Manipulation empfunden wird.
Sich zwischen Kunde und Vertrieb auf Augenhöhe zu begegnen ist also nicht ganz einfach. Und gerade deshalb ist es ein wichtiger und Erfolg-treibender Aspekt im gemeinsamen Kaufprozess.
Das Prinzip Augenhöhe
Verkäuferisch auftreten ist per se der augenscheinliche Versuch, schnell einen Abschluss zu erlangen. Das wird sehr stark negativ wahrgenommen, weil eben auch sehr verbreitet. Der Kunde erwartet direkt, dass wir, als vertriebliche Ansprechpartner*innen, in dieser Rolle ankommen und empfängt uns deshalb mit der entsprechenden Portion Misstrauen.
Die gute Nachricht dabei ist: Dies können wir leicht durchbrechen, indem wir explizit nicht verkäuferisch auftreten.
Im B2B bestimmen zunehmend fachliche Faktoren – ein großer Teil der Entscheidung hat allerdings immer noch mit dem Bauchgefühl zu tun. Wenn das Vertrauen nicht da ist, kommen wir typischerweise nicht wesentlich gemeinsam voran. Es soll angenehm sein und sich gut anfühlen, mit uns zusammen zu arbeiten.
Wesentliche Elemente dazu sind:
Gute Gespräche
Eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung mit unserem Kunden und seinem Problem führt automatisch dazu, dass wir die richtigen Fragen stellen. Das zeigt ehrliches Interesse und fällt dem Kunden auf. Außerdem gilt auch hier: Mehr Zuhören, weniger Reden. Als grober Richtwert dient wie immer die 2:1 Regel: Doppelt so viel zuhören als reden.
Durch ein ehrliches Interesse und aktives Zuhören sind wir beim Gespräch automatisch 100% dabei. Eine kurze Zusammenfassung am Ende jeden Gesprächs vermeidet Missverständnisse und damit Frust auf beiden Seiten.
Angenehme Professionalität (Authentizität & Offenheit)
Häufig versuchen wir, unsere Professionalität durch Fachbegriffe zu unterstreichen oder indem wir uns Unzulänglichkeiten nicht anmerken lassen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Wenn wir eine Antwort nicht direkt parat haben, aber zusagen, diese nachzuliefern, sind wir ebenso professionell und gleichzeitig menschlich und authentisch. Mit einer einfachen Sprache durch Paraphrasieren und KISS (keep it short & simple) statt Fachjargon begegnen wir dem Kunden auf Augenhöhe und beweisen echtes Interesse an einer gemeinsamen Lösung.
Wertschätzung
Das ist ein wenig wie das Salz in der Suppe beim Kommunizieren. Gerade wenn wir das unbedingte Gefühl haben, es gerade besser zu verstehen, ist die Zeit der positiven Wertschätzung. Statt „Aber da brauchen Sie noch ganz andere Funktionen …“ vielleicht ein: „Gut, dass Sie das so erkennen. Was halten Sie denn davon, wenn wir gemeinsam noch weitere Funktionen wie … prüfen?“ verwenden.
Gerade durch Vorbereitung, Pünktlichkeit, Verbindlichkeit und (natürlich) adäquate Höflichkeit bringen wir unserem Gegenüber Wertschätzung entgegen. Hier kann durchaus auch einmal die adäquate Lockerheit diesen Aspekt ausfüllen.
Positive Aufmerksamkeit und AAA (Anders sein Als Andere)
Durch positive Kommunikation festigen wir die Beziehung zu unserem Gegenüber. Das funktioniert ganz einfach über verbale Zustimmung, ein Lächeln oder Nicken. Das kennen die meisten.
Ein einfaches und gleichsam starkes Instrument sind Namen – praktisch jeder weiß das und dennoch nutzen es wenige. Wir sollten die Namen aller Beteiligten nicht nur kennen, sondern diese auch aktiv und souverän einsetzen können (im richtigen Maß). Das schafft direkt Aufmerksamkeit und ebenfalls auch Augenhöhe.
Das Prinzip Anders Als Andere (AAA) hilft gerade in der Anfangs-Kommunikation, sich vom Wettbewerb angenehm zu unterscheiden und unser Gegenüber positiv zu überraschen. So erreichen wir seine Aufmerksamkeit.
Zuverlässigkeit und Klarheit
Idealerweise fragen wir im Vorfeld von Gesprächen und Meetings die Erwartungshaltung bei unserem Kunden ab. So schaffen wir Klarheit auf beiden Seiten und beugen Frust vor, indem wir transparent kommunizieren, was davon aktuell erfüllt werden kann und was nicht. Wenn wir selbst verbindlich und zuverlässig sind, können wir dies auch auf der anderen Seite einfordern.
Handeln auf Augenhöhe
Eine partnerschaftliche Ebene wird dann offenbar, wenn alles, was hierfür relevant ist, im Gleichgewicht ist. Das ist im Business genauso wie im privaten Bereich. Freundschaften, in die nur eine*r investiert funktionieren (in der Regel) auf Dauer nicht.
Wir wollen, dass uns der Kunde als Berater annimmt und wir ihn, in seinem Sinne, zu seinem Ziel führen dürfen. Dafür muss er verstehen und spüren, dass wir alles, was wir dafür tun, unter sein Ziel stellen; und, dass dabei nicht unser Eigeninteresse im Vordergrund steht. In diesem Prozess ist es zielführend, den gegenseitigen Nutzen aufzuzeigen (WHED) und laufend zu avisieren.
In jeder guten Beziehung gilt: Geben und Nehmen
Geben und Nehmen soll also im Gleichgewicht sein. Tatsächlich geben wir als Verkäufer im Kaufprozess typischerweise sehr viel: Termine, Infos, Vorbereitung, Angebote, Demos usw. Dafür dürfen und sollten wir auch entsprechend nehmen. Das erreichen wir, indem wir die Führung übernehmen und Gegenleistungen vom Kunden forcieren, wie das Sich-Einbringen und Informationen. Gleichzeitig können wir Commitments zu klaren Vereinbarungen über kommende Schritte im Kaufprozess einfordern.
Gerade wenn es der Kunde ernst meint (das Projekt ist da und wir sind ein ernsthafter Anbieter und kein Benchmark), wird es in seinem Interesse sein, wenn wir in diesem Sinne die Führung übernehmen.
Übrigens: Das Gesetzt der Reziprozität besagt, dass wir niemandem etwas schuldig sein wollen. Das bedeutet konkret: Auch Kunden als unsere Partner wollen nicht, dass wir uns ihnen bedingungslos hingeben und alles machen, was sie wollen – eigentlich. Ich habe allerdings manchmal den Eindruck, dass wir im Vertrieb unsere Kunden manchmal selbst ein wenig in die falsche Richtung „erziehen“.
Der Anfang ist entscheidend
Das kleine Geheimnis steckt aus meiner Sicht im Beginn. So, wie der erste Eindruck prägend ist, stellen wir auch am Beginn eines Kaufprozesses schnell die Weichen, wie wir miteinander umgehen. Viele im Vertrieb haben gelernt, dass wir zu Beginn erst viel investieren müssen, um später daraus abrufen zu können. Manche meinen gar, dass wir gerade am Anfang im Wettstreit mit den anderen Anbietern stehen und deshalb am meisten in die Waagschale schmeißen müssen.
Nein. Möglichst früh dürfen wir zeigen und leben, dass hier ein gemeinsamer Weg startet. Und gerade wenn wir früh beginnen, Geben und Nehmen im Sinne eines gemeinsamen Nutzens und Erfolges zu beweisen, erreichen wir Augenhöhe.
#kaufenlassen
Praktisch niemand will etwas verkauft bekommen. Und gerade für das Prinzip Augenhöhe verbietet sich dieser Ansatz vollständig. Sobald wir das Gefühl haben, hier möchte uns jemand eine Lösung mit Druck, manipulativ oder gegen unsere eigenen Kriterien verkaufen, fühlen wir uns alles andere als auf guter Augenhöhe.
Ein optimaler Ansatz hier ist das Mindset #kaufenlassen. Dies bedeutet, den Kunden im Kaufprozess Schritt für Schritt zu seiner richtigen Entscheidung zu führen. Dabei nehmen wir konsequent die Kundenperspektive ein. Und Achtung: das ist ein sehr aktives Vorgehen.
Was bringt uns im Sinne von #kaufenlassen konkret auf eine gute Augenhöhe?
Kundenwissen
Durch Fragen und Zuhören gewinnen wir möglichst viel Kundenwissen. Diese Informationen dürfen dann den Grund für die von uns vorgeschlagenen Schritte bilden. Und: Wie soll der Kunde unseren Rat oder unsere Ideen akzeptieren, wenn nicht offensichtlich ist, dass sie zur konkreten Kundensituation passen?
Individualität
Auch wenn unsere Lösungsansätze gute Standards abbilden – jeder Kunde ist anders. Gerade wenn das Gefühl entsteht, hier wird eine Lösung einfach übergestülpt, erzeugt dies ein Gefälle. Ein solches verkäuferisches Tun versucht den Kunden klein zu machen. Das wird zum Bumerang in Sachen Augenhöhe.
Commitments
Geben und Nehmen wird in guten Partnerschaften immer in gewisser Balance stehen. Wir leisten typischerweise sehr viel für den Kunden im Laufe eines Kaufprozesses. Termine, Präsentationen, Spezialisten und Knowhow, Testmöglichkeiten etc. Damit haben wir doch auch das Recht, eine passende Gegenleistung einzufordern. Dabei führen wir übrigens zwingend den Prozess. Spätestens hier prüfen wir also, ob auch die Augenhöhe vom Kunden zu uns gegeben ist.
Nutzen, Nutzen, Nutzen
Der Kunde kauft keine Lösung. Er ist alleine interessiert am Nutzen, welcher für ihn darin steckt. Alles was wir mit dem Kunden machen, soll gemeinsam einen Nutzen erzeugen. Wenn das gelingt und jederzeit erklärbar ist, dann ist das automatisch die Grundlage für Augenhöhe und das gemeinsame Ziel.
Dieser Perspektivwechsel macht beim Kunden einen großen Unterschied: Er hat damit nicht das Gefühl, dass wir ihn manipulieren wollen, um ihm etwas zu verkaufen – vielmehr entsteht langfristig das Gefühl von Vertrauen und Partnerschaft auf Augenhöhe.
Kernaussagen
- Entscheidend für Erfolg im B2B Vertrieb sind fachliche Faktoren und Bauchgefühl, das durch Augenhöhe positiv geprägt wird
- Wichtig für Augenhöhe sind gute Gespräche, Angenehme Professionalität, Wertschätzung, positive Aufmerksamkeit, AAA sowie Zuverlässigkeit und Klarheit
- Partnerschaftliche Ebene mit dem Kunden erreichen wir durch ein Gleichgewicht in Geben und Nehmen
- #kaufenlassen statt verkaufen macht beim Kunden einen entscheidenden Unterschied