„Wie bewusst gehst Du mit Deiner Lebenszeit um?“ Diese Frage hat mich spätestens seit einem – mein Kardiologe nannte es treffend „life event“ – sehr intensiv beschäftigt. Dass diese Ressource wesentlich zu tun hat mit meinem Fokus, meinen Möglichkeiten das Leben angenehm zu gestalten und damit auch meinem Glücksgefühl, liegt auf der Hand.
Die Erfahrungen der letzten Monate, gerade Ende 2022, haben bei mir allerdings forciert, das Thema mal wieder in den Fokus zu rücken und im geschäftlichen Kontext zu betrachten. Als Trainings-Anbieter erleben wir viele Menschen mit Vertriebs- und Managementaufgaben bei unseren Kund*innen, deren mittlerweile tägliche Routinen die Ressource Lebenszeit im höchsten Maße unnötig vergeuden.
Lebenszeit in Meetings
Ein Meeting folgt dem nächsten. Gerade in größeren Organisationen können Menschen locker die Woche nur mit Meetings verbringen. Viel schlimmer ist allerdings: Praktisch kein Meeting kann sinnvoll vorbereitet oder nachbereitet werden. Viele kommen – wenn auch nur wenige Minuten – später in das Folgemeeting, weil das vorhergehende noch ein wenig länger gedauert hat.
Machen wir uns klar, was das bedeutet:
- Das alte Meeting konnte nicht abgeschlossen, geschwiege denn dokumentiert oder nachbereitet werden. Damit bleibt das Meeting als Ballast auch komplett im Kopf erhalten.
- In das neue Meeting stolpert der Protagonist praktisch hinein. Erfahrung und eloquentes Auftreten verbergen das etwas – in Wahrheit sind die ersten Minuten uneffektiv.
- Zwischen den Meetings gibt es praktisch keine Ruhephase für Abschalten oder Umschalten; häufig nicht einmal für Trinken, Essen oder sogar die dazu komplementären menschlichen Bedürfnisse.
- Und wenn der Tag dann größtenteils in dieser Routine zum normalen Ende kommt, müssen die Meeting-„Reste“ erst noch entsorgt werden: Auch in das vor-vor-vor-vorletzte Meeting gilt es sich nochmals zurückzudenken, die wichtigsten Maßnahmen zu forcieren oder Ergebnisse zusammenzufassen und zu kommunizieren – an die richtigen Leute. Ach ja – wer war nochmals tatsächlich dabei in dem Meeting?
Auf die Auswirkung auf die Motivation und Gesamtbefindlichkeit dieser Fremdsteuerung will ich hier nicht eingehen.
Die Zeit effektiv und gut nutzen
Wie kann es besser gehen? Dazu gibt es schon jede Menge Tipps und gute Anleitungen: Wer sollte teilnehmen, wer braucht nicht dabei sein, wer leistet welchen Beitrag, wie stoppen wir den Redeschwall einzelner, wie verhindern wir Abschweifen, usw.
Ich möchte hier nur ein paar Tipps für die Meetings geben. Und klar – mit den Meetings meine ich natürlich die richtigen, normalen Meetings. Es gibt immer Ausnahmen
1. Beginn: 10:05 Uhr statt 10:00 Uhr
Das Meeting setzen wir nicht (wie sonst typisch) genau auf die volle oder halbe Stunde an. Warum? Die Aufmerksamkeit ist höher: Alle Meetings beginnen um 10:00 Uhr – unseres um 10:05 Uhr. Die Reaktion: Huch – 10:05 Uhr, warum denn das?
Start-Puffer hilft: Viele Menschen – vor allem wichtige – kommen immer 1–2 Minuten nach dem offiziellen Beginn ins Meeting. Nun speichern viele gedanklich 10:05 Uhr als 10:00 Uhr ab. Und siehe da, im Durchschnitt ist die Pünktlichkeit schon besser.
2. Ende: 10:50 Uhr statt 11:00 Uhr
Wir setzen das Ende nicht auf die volle Stunde an. 10 Minuten bieten zwei Puffer:
- Wenn alle Stricke reißen – wir wollen ja keine Unmenschen sein – können wir für Folgeterminierung o. ä. 5 Minuten dazugeben.
- Für die 5 Minuten Puffer vor der vollen Stunde (und dem nächsten Meeting, das exakt z. B. um 11:00 Uhr beginnt) ist uns jede*r Teilnehmer*in dankbar: endlich einen Kaffee, Wasser oder die Toilette ganz kurz.
3. Dauer & Pausen: 45 Minuten
Die 45 Minuten sind die bekannte optimale Aufmerksamkeitsdauer. Entweder überschreiten wir diese im Meeting nicht – oder wir unterteilen die längere Dauer mit Pausen. Ob wir‘s nun glauben oder nicht: Alle Untersuchungen beweisen, dass die Ergebnisse mit besserer Energie und Aufmerksamkeit signifikant besser sind. Pausen sind mit die am effektivsten eingesetzte Lebenszeit.
Und erlauben Sie mir noch zwei kurze Appelle an der Stelle:
Appell 1: Kultur wird durch Menschen gemacht
Für die Meeting-Kultur, den pünktlichen Start, das definierte Ende, die Pausen etc. sind alle verantwortlich. Also auch wir! Wenn es uns wichtig ist, versuchen wir einfach, es möglichst so zu leben. (Klar, das geht nicht immer, wenn andere das Meeting führen. Dann tun wir es wenigstens bewusst, wenn wir die Führung haben.)
Appell 2: Verantwortung für andere Menschen
Der Appell geht an die Leads / Chefs. Wir haben hier auch die Verantwortung über unsere Mitarbeiter*innen und Teams. Nehmen wir sie wahr! Unterm Strich ist der Schaden deutlich größer, wenn wieder mal ein*e Mitarbeiter*in durch Burnout lange weg ist.
Lebenszeit bewusst einsetzen
Den richtig großen Hebel, was die optimale Nutzung von Lebenszeit angeht, bieten allerdings andere Aspekte im Business:
- Investieren wir unsere Zeit in die richtigen Projekte?
- Wie effizient sind unsere Aktivitäten für ein Projekt oder Ziel?
Als gewöhnliche Antwort auf die erste Frage gibt es genügend Tools aus dem Zeitmanagement. Einordnung in „wichtig“, „dringlich + wichtig“, usw. Weitere Tools beschäftigen sich mit Strategie, geschäftlichen Auswirkungen oder anderen Qualitäten.
Die richtigen Projekte
Welche sind denn die „richtigen“ Projekte? Sehr spannend ist die Antwort auf die Frage nach den guten Projekten im vertrieblichen Umfeld. Wie finden wir die Erfolg-versprechenden Vertriebsprojekte? Wie erkennen wir Nicht-Projekte, also Anfragen, die gar keine Umsetzungs-Basis beim potenziellen Kunden haben? Wie erkennen wir Benchmark-Situationen?
Hier bietet die NUTBASER-Methodik zahlreiche Ansätze:
- Konsequentes Arbeiten mit Commitments
Prinzip ABC und Treppenmodell; Kommunikationstechniken zur Schleife der Verbindlichkeit
- Klären und Herausfinden der wichtigen Informationen, welche als „Marker“ für Qualität und Fortschritt eines Projektes herangezogen werden können
Zum Beispiel banale Aspekte wie:- Qualität der Anforderungen: Bei einem wirklich konkreten Projekt hat sich der Kunde meist konkret mit dem Thema auseinandergesetzt. Wenn er sich erstmal bei uns dazu „aufschlaut“ ist das eher ein Indiz, dass dieses Projekt gerade erst initiiert wird.
- Qualität des Zeitrahmens: Ein konkret geplantes Projekt hat typischerweise keine Zeitplanung á la „irgendwann im zweiten Halbjahr“ oder auch „asap“.
Genau hierzu bietet das Modell NUTBASER die Strukturen als Methodik. Wenn Sie mehr dazu wissen möchten und NUTBASER noch nicht im Detail kennen, sei Ihnen empfohlen: https://nutbaser.com/training/vertriebstraining/.
Damit wir unsere Lebenszeit optimal nutzen können, gibt es also aus dem vorangegangenen viele Empfehlungen.
Die richtigen Aktivitäten
Im Nachhinein sind wir immer schlauer. Die Kunst besteht also darin, die Wahl der besten Aktivität vorher und bewusst vorzunehmen. Und diese Wahl kann, um eine gute zu sein, nur auf guten Informationen basieren.
Eine Lösungs-Präsentation oder eine Bemusterung etc. ist ein guter Schritt auf dem Weg zu einer gemeinsamen Vereinbarung. Doch – ist jetzt schon die richtige Zeit dafür? Kennen wir sämtliche Anforderungen des Kunden? Werden vom Kunden alle relevanten Personen (ggf. Entscheider*innen) dabei sein? Wenn nein – wozu sollte die Aktion dann gut sein?
Richtig ist hier also, mit dem Kunden/Partner das gleiche Verständnis zur aktuellen Situation zu schaffen.
Wie oft ist mir passiert, dass ich mich von der Bitte des potenziellen Kunden um eine Präsentation der Lösung geschmeichelt, ja fast getrieben fühlte, und das als großes Entgegenkommen verstand. Das Gegenteil war manchmal der Fall: Die vermeintlichen Entscheider*innen beim Kunden wollten sich nur durch unseren Ansatz „aufschlauen“ oder wir waren nur Benchmark. Leider ist uns das nicht nur einmal passiert.
Learning daraus:
Erfolg besteht nicht darin, keine Fehler zu machen, sondern darin, den gleichen Fehler kein zweites Mal zu machen.
– George Bernard Shaw
Weniger ist manchmal mehr
Im Sinne der Ressource Lebenszeit heißt das »Richtige« zu tun, die Aktivität mit der besten Wirkung umzusetzen. Dies hat oft und viel mit Führung zu tun. Führen wir in der Situation den Kunden, die Partner*innen oder auch die Kolleg*innen, dann übernehmen wir Verantwortung für das Ergebnis. Und damit auch für die Qualität. Im durchaus nicht immer einfachen, aber zumindest unmittelbaren Fall, ist es unsere Verantwortung für unser Ergebnis.
Im früherwachsenen Übermut stürzte ich mich häufig in die Termine mit Partner*innen. Anreise früh morgens mit dem PKW über 350 km und dann von 10:00–15:00 Uhr Meeting. Danach kaputt ins Auto und zurück. Sie ahnen es schon: die Qualität war so gut, dass wir fast immer eine zweite oder gar dritte Besprechung benötigten, um zum Ergebnis (Vereinbarung) zu kommen.
Kaum hatte ich Familie und die Zeit wurde zum wertvollen Gut, habe ich solche Termine anders „geführt“: Vorbereitung mit genauer Klärung aller Erwartungen im Vorfeld. Dedizierte Vorbereitung des Termins mit Inhalten und Abläufen. Anreise am Vorabend. Gut schlafen (endlich mal durchschlafen) und am nächsten Tag Meeting von 9:00–13:00 Uhr mit klarem Ergebnis. Gemütliche und sichere Rückreise.
Learning:
Weniger ist mehr.
Lebenszeit – die vielleicht ehrlichste Währung
Menschen kaufen Menschen. Das ist das eherne Gesetz für den Projekt-Vertrieb im B2B. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass bei immer vergleichbareren Lösungen der Mensch als vertrauensvoller Geschäftspartner die ausschlaggebende Rolle spielt. Nur – was macht, besser was erzeugt, vertrauensvolle Beziehungen?
Ein Faktor dabei ist: Lebenszeit.
Eine gute Beziehung aufzubauen und eine Beziehung zu pflegen, erfordert immer Zeit. Wir sind für den anderen da, wir gehen die Extrameile oder wir agieren außerhalb unserer Pflichten in seiner Mission. Also: Lebenszeit ist das Elixier, was das ermöglicht und leider eine begrenzte Ressource ist. 86.400 Sekunden am Tag. Bei uns allen gleich viel.
Und die Ressource Lebenszeit ist damit auch die vielleicht ehrlichste Währung. An der Zeit, die andere uns schenken und in uns investieren können wir ableiten, wie wichtig wir sind. Gerade aus dem privaten Umfeld kennen wir das auch: Beziehungen, in denen sich gegenseitig keine Zeit geschenkt wird, erodieren. Mit ganz wenigen Ausnahmen.
Das Maß an Lebenszeit entspricht also meist der Liebe oder Wertschätzung, die uns entgegengebracht wird.
Learning:
Achte gut auf Deine Zeit.
Kernaussagen
- Einfache Tricks helfen, Meetings effektiver zu gestalten und am Ende Zeit zu sparen.
- Um unsere Lebenszeit optimal zu nutzen, müssen wir uns im B2B-Vertrieb auf die richtigen Projekte konzentrieren. Techniken, wie konsequentes Arbeiten mit Commitments helfen, diese zu identifizieren.
- Die richtigen Aktivitäten zur richtigen Zeit können eine enorme Zeitersparnis bedeuten.