Da kommt also der Kunde mit einem scheinbar perfekt passenden neuen Projekt um die Ecke: Genau diese Technologie-Strategie forcieren wir auch und die optimierte Eingabefunktion in der Disposition spart noch mehr Zeit. Die geforderten Optimierungen können wir noch besser abbilden, wie der Kunde es sich momentan vorstellt. Also – nichts wie los und eine Lösung konzipiert.
Diesen Impuls kennen wir wohl alle. Wir denken schon komplett in der Lösung, während die Kundenansprechpartnerin noch die Anforderungen formuliert. Umso mehr wundert uns dann, wenn die Ansprechpartnerin ob unserer ersten Lösungsskizze nicht gleich vor Freude tanzt. Hat sich beim Kunden was verändert oder haben wir etwa den Kunden grundsätzlich missverstanden?
Die Realität ist oft: Wir haben die Kundensituation noch nicht wirklich verstanden. Das eigentliche Problem dahinter kennen wir noch nicht.
Den Bedarf verstehen
Fragen wie – locker ausgedrückt – „Wo drückt der Schuh?“ liefern vom Kunden oft nur einen Ansatz. Welche Verbesserungen und Veränderungen die Kunden jeweils anstreben ergießt sich auch auf Kundenseite oft in RFQ’s oder Anforderungen. Unsere einfache Aufgabe ist also: Hinterfragen. Die alte Weisheit trifft wieder zu 100% zu: Kenne Deinen Kunden!
Die gerade genannten Fragen bringen meist wichtige Erkenntnisse, klar. „Wir wollen die Falschlieferungen reduzieren.“ Oder „Wir müssen Neukunden über die neue eCommerce-Lösung gewinnen.“ Und so weiter. Wir glauben an dieser Stelle erkannt zu haben, welches Problem besteht und welche Ziele und damit welcher Nutzen angestrebt wird.
In manchen Fällen reicht das aus. Vielfach bleibt jedoch ein wichtiger Aspekt zum wirklichen Kundenverständnis verborgen: Wo brennt die Hütte wirklich? Was bewegt den Kunden (Unternehmen und Personen) tatsächlich in diesem Projekt?
Die richtige Frage stellen
Genau hier ist es wichtig, die eine Frage mehr zu stellen. Und damit die eine zusätzliche Information zu gewinnen.
Mit der einfachen Frage „WARUM“ können wir gerade diesen Hintergrund ganz adressieren. Diese Frage wird offenbar immer noch zu wenig gestellt. Und wir dürfen uns diese Frage erlauben. Denn gerade dieser Fragetypus dokumentiert echtes Interesse an der Gesamtsituation des Kunden. Und sie ist einfach. „Warum forcieren Sie diese deutliche Reduktion der Fehlerrate jetzt?“ „Weshalb ist eine gewisse Menge an Neukunden über den Shop so wichtig?“ Und so weiter.
Die Antworten können überraschend neue Aspekte ans Tageslicht bringen. „Wir haben eine Kundenabwanderung in diesem Bereich“ oder „Ich möchte beweisen, dass unser eCommerce-Ansatz hier der richtige ist und mehr Budget für digitales Marketing etablieren.“ Und so weiter.
Mit dem Warum zum Kern kommen
Manchmal höre ich im Training: „WARUM sollte man im Vertriebsgespräch möglichst nicht fragen.“ Wo auch immer diese Meinung herkommt. Das sehe ich völlig anders.
Wir dürfen diese Frage sehr wohl stellen. Um dem Kunden eine optimale Lösung bieten zu können, müssen wir alle Aspekte dazu möglichst gut verstehen und so genannte Insights dazu kennen. Das ist übrigens eine Kernbotschaft im Verständnis zu kaufen lassen. Wenn der Kunde ein ehrliches Interesse an einer möglichen Zusammenarbeit mit uns hat, warum sollte er uns diese Frage nicht beantworten?
Also: Navigieren Sie mit dem Kunden zum richtigen Puzzleteil um das Gesamtbild zu verstehen. Für den Kunden ist dieses Vorgehen – ehrliches Interesse vorausgesetzt – übrigens sehr wichtig, um ein hohes Maß an Vertrauen in unsere Kompetenz und uns als handelnde Personen aufzubauen.
Natürlich sollten wir verhindern, unsere Kundenansprechpartner*innen mit einem unpassenden „Warum“ in eine Rechtfertigungssituation zu bringen, denn dann kommt schnell nichts dabei heraus.
Hier gibt es praxistaugliche Fragetechniken wie WWW.
Und – eines gilt immer: Wenn wir die Frage stellen, bekommen wir vielleicht nicht immer eine befriedigende Antwort. Ok. Eines bekommen wir allerdings immer: eine Information. Ausweichen, Ablehnen oder Nichtwissen ist auch eine wichtige Info für uns, um die Kundensituation realistisch einzuschätzen.
Was bringt es?
Jede Menge. Effektives Vertriebsvorgehen hängt stark vom Kundenverständnis ab. Das ist nicht neu. Wenn wir also die wirklichen Beweggründe, Motive und Ziele nur ansatzweise kennen, sind die nächsten Vertriebsaktivitäten sehr viel effektiver zu gestalten:
- Wir zeigen dem Kunden auf, wie unsere Lösung noch besser auf seine eigentlichen Ziele
- Weniger ist mehr: Spray & pray ist out und verwirrt den Kunden. Einige wenige, dafür treffende Argumentationen und Nutzendarstellungen, die genau auf die Kern-Motive fokussieren, sind um ein Vielfaches wirksamer als allgemeine Nutzenargumente über seitenweise Folien.
- Der Kunde findet dadurch bei uns neue Aspekte oder erlebt das zielführende, konstruktive Hinterfragen der aktuell gegebenen Anforderungen. Das führt nicht selten zu neuen Erkenntnissen auf Kundenseite. Schließlich sind wir ja oft Fachspezialisten auf dem Gebiet und den Kunden hier im Sinne einer optimalen Lösung zu „challengen“ bringt uns noch mehr auf Augenhöhe.
- Warum wir? Auch der Kunde stellt sich diese Warum-Frage. Auf Basis der Motive und hintergründigen Ziele können wir unsere Lösung individuell abbilden. Dadurch können wir uns differenzieren und zusätzliche passende Lösungsbausteine im Sinne des Kunden einflechten. Nur auf die Liste der Anforderungen zu antworten und Funktionen gegenüberzustellen macht uns vergleichbar und schwach.
- Wir verstehen die Werte und die Strategie des Kunden Wie positioniert sich das Unternehmen? Wie ticken die Steakholder? Und wir finden dadurch vielleicht neue unterstützende Argumente, die sonst verborgen geblieben wären.
Simon Sinek fasst seine (sehr interessante und überzeugende) Strategie des Golden Circle zusammen in der Botschaft „Frag‘ zuerst nach dem Warum!“ (zum Video).
Ich würde daraus für uns im effektiven B2B-Vertrib den Apell ableiten:
„Frag‘ möglichst früh nach dem Warum!“
Kernaussagen
- Die Kenntnis der Anforderungen allein ist oft zu wenig für eine wirksame Argumentation unserer Lösung.
- Der vordergründige Nutzen ist nur der Einsprungspunkt für das effektive Hinterfragen der Situation, der Ziele und des aktuellen Problems beim Kunden.
- Eine Frage mehr – das erzeugt praktisch immer auch eine Information mehr. Warum also nicht fragen?
- Die Warum-Frage – richtig eingesetzt – führt uns mit dem Kunden gemeinsam zum Verständnis der Hintergründe. Warum also nicht Warum fragen?
- »Frag‘ möglichst früh nach dem Warum.« Je früher wir echte Beweggründe erkennen, desto effektiver können wir im Sinne des Kunden handeln.